13/06/2013
Die Vortrags- und Diskussionsreihe widmete sich den Veränderungen der Arbeitswelt und ihren gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen anhand von Vorträgen ausgewählter Expert:innen und offener Diskussionsrunden: “Der gesellschaftliche Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft verändert unsere Arbeitswelt grundlegend. Wissen und Qualifikationen werden zu den wichtigsten Ressourcen. Reguläre Arbeitsverhältnisse mit geregelten Arbeitszeiten und vordefinierten Arbeitsinhalten nehmen ab. Gefragt sind stattdessen zeitliche und räumliche Flexibilität. Die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit lösen sich auf. Individuelle Arbeitsgestaltung gewinnt ebenso an Bedeutung wie Kreativität und Selbständigkeit. Neben dem Angestelltendasein und der klassischen Selbständigkeit treten vermehrt Formen der Freiberuflichkeit und neuen Selbständigkeit auf. Netzwerkorientierte und projektförmige Modelle der Arbeitsorganisation nehmen zu. Das männliche Alleinernährermodell hat schon lange ausgedient. Familien organisieren sich zunehmend individuell in Abhängigkeit ihrer Arbeitsverhältnisse.”
Vortrag und Diskussion mit Wolfgang Hien und Peter Birke: Werksschließungen wie des Bremer Vulkan 1997 und der BWK 2009 markieren einen von vielen Schritten hin zu einer veränderten Arbeits- und Lebenswelt. Viele sprechen von einem radikalen Wandel. Während die „Industriegesellschaft” durch eine Entfremdung und Zergliederung der alltäglichen Arbeit gekennzeichnet gewesen sei, zeichne sich die „Wissensgesellschaft” durch mehr Autonomie und Freiheit aus. Aber hat sich wirklich so viel verändert? Welche neuen Belastungen prägen heute den Arbeitsprozess, mit welchen Folgen für die Gesundheit der Arbeitenden? Wie „autonom” ist die Arbeit geworden, und finden wir das eigentlich gut? Und, falls eher nicht: Wie haben sich die Formen verändert, in denen die Arbeitenden gegen die Zumutungen des Arbeitsprozesses rebellieren?
Vortrag und Diskussion mit Ulrich Bröckling und Arndt Neumann: Selbstbestimmung und kollektives Arbeiten galt in den 1970er Jahren als Gegenentwurf zur Unterordnung in Fabriken und Büros. Doch der Arbeitsmarkt von heute verlangt uns gerade diese Qualitäten ab. In allen Lebenslagen sollen wir kreativ, flexibel und eigenverantwortlich handeln. Permanent werden wir angehalten uns als „unternehmerisches Selbst” zu begreifen. Welche gesellschaftlichen Probleme daraus resultieren und inwiefern es unser Leben verändert stand im Fokus dieses Abends.
Lesung, Vortrag und Diskussion mit Katja Kullmann und Sabine Flick: Am Abend der Eröffnung des Palasts der Produktion blickten Katja Kullmann und Sabine Flick hinter die Kulissen des Traums vom selbstbestimmten Arbeiten. Es geht um Wertschätzung, Prekarität, Selbstoptimierung, Selbstzweifel und dem Streben nach Authentizität, eben dem ganz normalen Arbeitsalltag einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht einer Altersgruppe. Was ist mit Geld, Macht, Politik – all den Dingen, die sich außerhalb des strauchelnden Selbst abspielen? Erschöpfungserkrankungen werden in den Zusammenhang mit den veränderten Arbeitsverhältnissen gestellt und die Idee der Selbstsorge fokussiert. Ist Selbstsorge ein Synonym für Selbstverwirklichung? Und welche Rolle spielen Freundschaften für die Selbstsorge?
Vortrag und Diskussion mit Anne Querrien und Niels Boeing: Der strukturelle Wandel mit seiner Tendenz zu Dienstleistungen und Hochtechnologien hat in den westlichen Ländern die Deindustrialisierung gefördert. Die industrielle Produktion ist in Schwellenländer ausgelagert worden. Dank neuer, kleinteiligerer computergesteuerter Fertigungsverfahren könnte ein Teil der Produktion in die Städte zurückkehren und auch diejenigen zu Produzenten machen, die bislang Konsumenten sind. Im Bereich der kulturellen und symbolischen Produktion vollzieht sich dieser Wandel bereits. Kreativarbeiter und „urbane Pioniere” haben sich Teile der Städte als ihre Fabrik angeeignet. Streetart, Subkulturen und Designerläden verschaffen den Protagonisten ein Einkommen und machen Stadtteile attraktiv. Was kann getan werden, um diesen veränderten Ansprüchen an den Stadtraum gerecht zu werden? Lassen sich Formen der kreativen Raumproduktion in die Peripherie übertragen? Und steckt hinter der Forderung nach dem Recht auf Stadt auch der Anspruch auf Arbeitsraum?
Die vier Veranstaltungen fanden auf dem Gelände der Bremer Wollkämmerei (BWK) statt, einem brachgefallenen Ort der Industriegesellschaft, und waren teil des Zwischennutzungsprojektes Palast der Produktion, einem Projekt der ZZZ – ZwischenZeitZentrale Bremen in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die ZZZ wird umgesetzt vom AAA – Autonomes Architektur Atelier, bis 2013 in Kooperation mit Sarah Oßwald und Michael Ziehl (urban upcycling).
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